Brücke zu den Göttern
Taoistische Ritual-Manuskripte der Yao
… sie haben einen eigenen Willen
und können ihren Besitzern Glück oder Unglück bringen…
Eine virtuelle Ausstellung der CATS-Bibliothek
Einleitung
Img 01
Die Manuskripte
Img 02
Die Rituale
Img 03
Die Ausstellung
Img 04
Rituale der Yao
Einleitung
Die Yao 瑶 sind eine vielfältige Kategorie ethnischer Gruppen, die seit dem frühen 7. Jahrhundert in chinesischen Quellen genannt wird. Ab dem frühen 19. Jahrhundert wanderten viele von ihnen von China nach Südostasien ein. Dazu gehören auch die Untergruppen der Lanten 藍靛 und Iu Mien 優勉, von denen die vorliegenden Manuskripte stammen. Von den Chinesen haben die Yao den Taoismus übernommen, aber eine ganze Anzahl von Ritualen und Bräuchen ihrer eigenen, staatenlosen Gesellschaft angepasst.
Rituale der Yao
Einleitung
Nach dem Sieg der kommunistischen Pathet Lao in Laos 1975 flohen viele Yao nach Thailand und mussten dort, verarmt, ihre rituellen Gegenstände und Manuskripte verkaufen. Einige traten zum Christentum über. Eine große Zahl dieser Texte und Objekte fand schließlich in den 1990er-Jahren ihren Weg in die Universitäten von Oxford, Leiden und Heidelberg, sowie in die Bayrische Staatsbibliothek. Die Sammlung der Ostasienabteilung der CATS Bibliothek am Centrum für Asien- und Transkulturelle Studien geht ebenso wie die Leidener Sammlung auf eine Anschaffung von Barend ter Haar zurück, der von 1994 bis 2000 Professor am Institut für Sinologie der Universität Heidelberg war.
Rituale der Yao
Einleitung
Mit dem Ritual des “Augenöffnens” werden die magischen Manuskripte zu Verkörperungen des Gottes Lao Kwan und somit zu Beamten seiner himmlischen Verwaltung. Dabei erhalten die Texte eine direkte mystische Verbindung zu ihren makellosen und vollkommenen Urfassungen in der unsichtbaren Welt. Daraus beziehen sie ihre rituelle Wirkmacht. Sie haben einen eigenen Willen und können ihren Besitzern, je nach Behandlung, Glück oder Unglück bringen.
Rituale der Yao
Einleitung
Sie besteht aus rund 220 Manuskripten und 10 Rollbildern zur Verwendung in Ritualen. Während die ältesten dieser Manuskripte auf das Jahr 1750 datiert sind und die jüngsten aus den 1980er-Jahren stammen, entstand die Mehrzahl nach der Mitte des 19. Jahrhunderts. Bei der Wanderung von China nach Südostasien gingen zahlreiche Ritualbücher verloren und mussten nach der Ankunft durch neue Kopien ersetzt werden. Die Bücher wurden anfangs auf weichem Maulbeer-, später auf billigerem aber spröderem Bambuspapier geschrieben, die Tinte haben die Yao aus Ruß und Schweinegalle hergestellt.
Die Manuskripte

Magischer Text, 19. Jh.

Man unterscheidet zwischen magischen Manuskripten, die beim Ritual vorgetragen werden und den Kontakt mit den Göttern herstellen, und solchen, die rituelle Gebrauchsanweisungen darstellen und keine rituelle Macht entfalten. Senkrechte Striche im Text stehen für Textstellen, die nur mündlich vom Meister zum Schüler weitergegeben werden dürfen (hier z.B. rechte Seite unten Mitte). Ein vollständiges magisches Manuskript wäre zu machtvoll und gefährlich, es würde so heiß werden, dass man es nicht mehr handhaben könnte.
Die Manuskripte

Musterrituale, 19. Jh.

Einige der Manuskripte enthalten gezeichnete Talismane, die dem Schutz vor bösen Einflüssen dienen und etwa auch an Türen angebracht werden können. Die in diesem Buch wehren unter anderem Lepra ab.
Die Manuskripte

Geheime Instruktionen, 20. Jh.

Am Ende dieses Manuskripts führte der Besitzer akribische Aufzeichnungen über die Art und Zahl der Rituale, die er durchgeführt hat. Die Manuskripte zeigen Spuren ihres Alters und Gebrauchs. Die Stärke in dem Maulbeer- und Bambuspapier, der als Leim verwendete Klebreis und die beim Ritual zwischen die Seiten geratenen Reiskörner ziehen Insekten und anderes Ungeziefer an. Brandflecken entstehen beim Ritual durch die nahen Feuer und die Verbrennung von Opfergaben aus Papier.
Die Manuskripte

Initiationstext, 20. Jh.

Je länger die Auswanderung aus China zurücklag, desto weniger Yao beherrschten die Chinesische Schrift und desto schwieriger gestaltete sich die Suche nach Kopisten. Das vorliegende Buch enthält Glossen in laotischer Schrift.
Die Manuskripte

Die vier Botschafter

Ein vollständiger Satz von Rollbildern gehört zur Ausstattung jedes Ritualexperten, der die komplexen Einweihungsrituale durchführen will. Auf diesem Bild überbringen vier Botschafter eine Einladung zum Ritual an die vier Domänen des Kosmos – das Pferd an Kaiserreich und Ahnen, der Drache an die Flüsse, der Tiger an die Wälder und der Phönix an den Himmel. Gemeint ist damit der gesamte Kosmos. In einigen Kontexten stehen die Botschafter auch für Jahr, Monat, Tag und Stunde des Rituals. Damit gleichen Einladungen zum Ritual den Briefen, mit denen der chinesische Kaiser seine Beamten an den Hof rief.
Die Rituale

Der Kopist

Bounsom, ein Ritualexperte der Lanten Yao in Laos, kopiert ein Manuskript. Das Kopieren ritueller Texte ist selbst ein Ritual, das an glückverheißenden Kalendertagen orientiert und mit rituellen Zahlungen verbunden ist. Die Kopie eines komplexen Textes erfordert bis zu einem Monat voller Arbeitszeit. Die wichtigen magischen Bücher können nur im ersten Monat des Lanten-Kalenders kopiert werden, der mit dem Jadekaiser, dem Herrn des Lanten-Kosmos, verknüpft ist.
Die Rituale

Bewahrung der Rituale

Bounchan, ein taoistischer Großmeister der Lanten Yao in Laos, mit seiner Manuskriptsammlung. Die Mehrzahl davon sind Ritualtexte, daneben enthält die Sammlung auch Liederbücher, Almanache, Wörterbücher, Morallehren, Briefe und Biographien.
Die Rituale

Ritual des Augenöffnens

Bei diesem Übergangsritual werden dem in der Matte eingewickelten Mann “die Augen geöffnet”, so dass er mit einem kosmischen Gegenüber in Kontakt treten kann. Die Lampe repräsentiert die Himmelskörper, die Drei Ursprünglichen Priester sowie die Drei Meister. Der Ritualmeister bewegt sie dreimal im Kreis über dem Eingewickelten, je einmal für einen der Drei Himmel, auf denen die Kosmologie der Lanten Yao beruht. Das Licht soll das einstmals „Dunkle“ erhellen und den Initianden mit einer neuen Identität in Bezug auf sein kosmisches Gegenüber versehen. Für die Lanten entspricht die Matte einem Uterus und die Lampe dem ersten Licht, das ein Kind nach der Geburt sieht. Mit vergleichbaren Ritualen werden auch den magischen Manuskripten die Augen geöffnet.
Die Rituale

Das Fest des Reispflanzens

Bei diesem Fest zum ersten Vollmond nach dem Neujahrstag der Lanten Yao teilen sich verschiedene Ritualexperten die Aufgabe, den Göttern und Ahnen Opfergaben darzubringen (links auf dem Bild) und sie mit Musik und Mythen über ihr Leben zu unterhalten (rechts). Glückt das Ritual, setzt bald darauf die Regenzeit ein. Anderenfalls muss es wiederholt werden.
Die Rituale

Opfer an die Gottheiten des Territoriums

Bei derselben Gelegenheit überreicht jeder Haushalt des Dorfes den Territorialgöttern ein Huhn (oder Ei) sowie Reis und Reisschnaps. Diese Gaben werden gemeinsam verzehrt zur Feier der Vereinigung von Dörflern, Ahnen und Gottheiten, die die Besiedelung des Dorfgebietes ermöglicht hat.
Die Ausstellung
Vom 11. Mai bis zum 09. Oktober 2020 war die Ausstellung mit Exponaten aus der sinologischen Sammlung taoistischer Ritualmanuskripte der Yao im Foyer der CATS Bibliothek zu besichtigen.
Die Ausstellung
Schon davor, im Dezember 2019 und Januar 2020, war sie im Rahmen der Reihe „Sammlung des Monats“ in der Zweigstelle der Universitätsbibliothek Heidelberg im Neuenheimer Feld zu sehen. Diese Ausstellungsreihe bot im monatlichen Wechsel ausgewählte Stücke aus den Museen und Sammlungen der Ruperto Carola.
Die Ausstellung
Impressionen...
Die Ausstellung
Impressionen...
Die Ausstellung
Impressionen...
Die Ausstellung
Impressionen...
Die Ausstellung
Impressionen...
Die Ausstellung
Impressionen...
Die Ausstellung
Impressionen...
Die Ausstellung
Impressionen...
Die Ausstellung
Impressionen...
Die Ausstellung
Impressionen...
Die Ausstellung
Impressionen...
Bibliographie (Auswahl)
Impressum
Manuskripte:
Sammlung Institut für Sinologie / CATS Bibliothek, Universität Heidelberg
Text:
Guido Sprenger (CATS, Institut für Ethnologie)
Photographien:
Joseba Estévez (Universität Münster, Institut für Ethnologie)
Susann Henker (CATS, Institut für Kunstgeschichte Ostasiens)
Kuratoren:
Joseba Estévez (Universität Münster, Institut für Ethnologie)
Susann Henker (CATS, Institut für Kunstgeschichte Ostasiens)
Hanno Lecher (CATS Bibliothek)
Guido Sprenger (CATS, Institut für Ethnologie) 
Virtuelle Ausstellung:
Hanno Lecher (CATS Bibliothek)
Sebastian Vogt (CATS, EDV)